Kunst & Kultur

Klavierstimmung und der lebendige Klang

von Peter Clementsen

Der Klang eines Klaviers hängt in erster Linie vom Holz und dem Zustand der Hammer ab. Als dritte Komponente soll im Folgenden die Bedeutung der ,,Temperatur” näher beleuchtet werden:
Unterschiede bei einem frisch gestimmten Klavier gibt es durch die Verteilung des ,,pythagoräischen Kommas” (das ist der Unterschied zwischen 12 Quinten und 7 Oktaven – 129,75 und 128 bzw. der Fehler, der entsteht, wenn die Quinten nacheinander ganz rein gestimmt werde.). Heutzutage wird dieser Unterschied auf alle Quinten gleichmäßig verteilt (genannt gleichstufige oder gleichschwebende Stimmung).

Bis ins 19. Jahrhundert waren aber auch andere ,,Temperaturen” in Gebrauch und die Diskussion darüber verstummte nie ganz. Die gleichschwebende Stimmung nivelliert die Charaktere der verschiedenen Tonarten C-Dur, D-Dur usw. Der Klang einer gleichstufigen Stimmung wird von vielen Musikern darum als nicht lebendig oder langweilig empfunden. Von den anderen Temperaturen wie Werkmeister, Kirnberger usw. hat sich nur die Valotti-Stimmung bis heute erhalten. Bei ihr werden 6 Quinten rein gestimmt und 6 Quinten gleichmäßig unrein (4 Cent statt 2 Cent kleiner). Diese Temperatur führt bei wenigen Vorzeichen (C-Dur, G-Dur, F-Dur bzw. entsprechend a-moll, e-moll, d-moll) zu ruhigen Klängen, mit mehr Vorzeichen zu immer bewegteren Akkorden (stärkeren Schwebungen). Das erscheint folgerichtig und macht die Musik lebendiger. Die Valotti-Stimmung wird heute noch von einigen Orchestern genutzen, auch für Chormusik mit Instrumentalbegleitung. Mir bekannte Pianisten finden diese Temperatur interessant, aber die Unterschiede zu stark. Darum biete ich (in Absprache mit dem Kunden) die ,,gemäßigte Valotti-Stimmung” an. Dabei sind die 6 ,,reinen” Quinten doch ein wenig kleiner als rein gestimmt (etwa 1 Cent statt 2 Cent kleiner als rein). Die Erfahrung zeigt, dass damit eine Temperatur zu erzielen ist, die einen lebendigen Klang ergibt, ohne zu ungewöhnlichen Schwebungen zu führen. Ich habe diese Stimmung ,,wohltemperiert pythagoräisch” genannt, weil die Fis-Dur-Tonleiter beinahe nach Pythagoras (aus fast reinen Quinten) gestimmt ist.

(red.:) Peter Clementsen ist Klavierstimmer und stimmt Klaviere sowohl im Privatbereich als auch die Instrumente verschiedenster Einrichtungen, unter anderem Waldorfschulen und der MenschMusik Akademie Hamburg.

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