Aung Thaung 2
Bildung & Pädagogik

Wege aus der Armut: Aung Thaung und die Waldorf-inspirierte Mudita Schule in Myanmar

Aung Thaung 2Aung Thaung lebte zusammen mit seiner Familie in einem kleinen Dorf in Myanmar, einem der ärmsten Länder der Welt. Die Eltern waren Reisbauern und wünschten sich, dass ihr Sohn eines Tages in ihre Fußstapfen tritt. Er musste auf der Farm seiner Eltern hart arbeiten, aber Aung wusste schon als er klein war, dass er unbedingt eine Schule besuchen möchte. Er flehte seine Eltern an, dass sie ihn gehen lassen sollen, jedoch ohne Erfolg. Eines Nachts, Aung Thaung war mittlerweile neun Jahre alt, beschloss er, seine Heimat zu verlassen und sich seinen großen Wunsch zu erfüllen. Er machte sich alleine auf den Weg in die Klosterschule Htet Eain Gu am Inle See in Myanmar. Nachts, allein, im Alter von neun Jahren, das erfordert Mut und Entschlossenheit! Er wurde Novize und konnte die Klosterschule besuchen. Als er mit seinen Eltern sprechen wollte, wurde er abgewimmelt und beschimpft, dass er ihnen ihre Zeit stehlen würde. Drei Jahre ist Aung Thaung nun in Htet Eain Gu. In dieser Zeit wurde er zu einem der besten Schüler.

Ähnliche familiäre Situationen wie Aung haben zahlreiche Kinder in der Klosterschule, viele von Ihnen sind Waisen oder haben keinerlei Kontakt mehr mit ihren Eltern. Viele Kinder sind traumatisiert, unterdrücken jedoch ihre Gefühle und den Schmerz. Sie alle erhalten in der Klosterschule ein neues Zuhause und sind in einer warmherzigen Gemeinschaft aufgehoben.

Eines Tages kam Bhante Mokkhita in das Kloster Htet Eain Gu. Er ist Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Mudita e.V. in Hamburg und wurde vor sechs Jahren zum buddhistischen Mönch ordiniert. Er fing an, die Infrastruktur des Kindergartens und der Klosterschule zu verbessern. Das Aussehen des Klosters und seiner Schule veränderte sich innerhalb kürzester Zeit: es wurden neue Gebäude aus natürlichen Materialien wie Bambus und Lehmziegeln in traditioneller Bauweise errichtet und ein Bio-Garten angelegt. Da ihn der Besuch eines Waldorf-Kindergartens in Hamburg-Tonndorf sehr geprägt hatte, beschloss er, anthroposophische Ansätze in den Unterricht, den Baustil und die Lebensweise des Klosters zu integrieren. Er veranlasste, dass die Lehrkräfte in den Grundsätzen der Waldorf- und Montesoripädagogik geschult wurden und initiierte eine Zusammenarbeit mit der Waldorfschule Lotus Garten im nahen Pyin Oo Lwin und dem Waldorf -Kindergarten Hitakari in Lashio. Mit deutscher Hilfe beschaffte er neue Unterrichtsmaterialien und sogar einen Computerraum. Bhante Mokkhita holte auch Volontäre aus Deutschland und der ganzen Welt, die ihm halfen, den Englisch-, Computer- und Ethikunterricht zu unterstützen. Eine Lehrerin der Mudita Schule wird Mitte dieses Jahres ein 3-monatiges Praktikum in einer Hamburger und einer Heidelberger Schule absolvieren.

Aung sog diese neuen Möglichkeiten auf wie ein trockener Schwamm. Das Bildungs- und Gemeinschaftsprogramm der neuen Mudita Schule half ihm, wie den anderen Kindern, die Natur (im Inneren und Äußeren) zu verstehen. Der Kunst und Werkunterricht regte seine Fantasie an und ließ ihn die Welt mit anderen Augen sehen. Wie bei den anderen Schulkindern ließen Theater-, Musik-, Tanz- und Sportunterricht ganz neue Erfahrungen zu und förderten den Teamgeist und Sozialkompetenzen.

Aung Mitte 2 AusflugAung Thaung lernte mit steigender Begeisterung und sprach innerhalb eines Jahres besseres Englisch als die meisten anderen Schüler. Bhante Mokkhita hatte mittlerweile auch Kontakt mit einer der besten Privatschulen des Landes aufgenommen, um schulischen und kulturellen Austausch zu betreiben. Es entstand langsam aber sicher eine Freundschaft zwischen den beiden Schulen. Der Direktor besuchte die Klosterschule auch selbst. Bei einem seiner Besuche fiel ihm der mittlerweile 13 Jahre alte Aung Thaung auf. Der Direktor sah, dass in diesem jungen Kerl der Wille und der Intellekt steckt, größeren Herausforderungen gewachsen zu sein. Da die Möglichkeiten der kleinen Mudita Schule sehr begrenzt sind, ist es auch für begabte Kinder wie Aung Thaung schwer, wenn nicht gar unmöglich, einen guten Studienplatz zu bekommen, auch wenn sie sich noch so sehr bemühen. Eines Tages klingelte das Telefon des deutschen Mönches. Es war der Direktor der großen Schule aus der Hauptstadt Yangon. Er teilte dem Mönch mit, dass er gerne drei Schülern die Möglichkeit für ein Stipendium an seiner Schule geben möchte. Hierfür müssten die drei innerhalb der nächsten zwei Wochen in die Hauptstadt fahren, um dort vorzusprechen – auf Englisch. Einer der drei war der junge Aung Thaung.

Die drei Kandidaten für das Stipendium bekamen nun von Eric, einem der internationalen Volontäre, muttersprachlichen Englischunterricht zur Vorbereitung für den großen Tag in der Hauptstadt. Insgesamt sollten dort 75 Schüler getestet werden, von denen am Ende nur zwei das Stipendium bekommen würden. Die drei arbeiteten hart und diszipliniert auf den großen Tag in der Hauptstadt hin. Schließlich kam der Tag und es ging in die Hauptstadt. Für alle Beteiligten war es ein großes Abenteuer und zur Freude aller schaffte es ein Schüler in die nächste Runde: es war Aung Thaung. Nun waren es nur noch sechs Schüler, die um die zwei begehrten Stipendienplätze wetteiferten. Einige Tage später ging es ein weiteres Mal in die Hauptstadt. Alles lief gut. Nach der Rückkehr in die Klosterschule gab es einen Anruf des Direktors bei Bhante Mokkhita: Aung Thaung sei für das Stipendium ausgewählt. Aung Thaung, der kleine Junge, der einst mit neun Jahren im Alleingang seinen Weg in die Klosterschule fand, bekommt nun die Möglichkeit an einer der besten Privatschulen von Myanmar zu lernen. Er kann mit einem guten Abschluss an die renommiertesten Universitäten der Welt gehen. Normalerweise ist dies in Myanmar nur privilegierten Kindern aus wohlhabenden Familien vorbehalten, denn in Yangon entstehen den Schülern neben dem Schulgeld auch noch erhebliche Lebenshaltungskosten. Doch der Mudita e.V. und seine Klosterschule sind für Aung Thaung, der seine leibliche Familie praktisch verloren hat, wie eine neue Familie, die sich persönlich für ihn verantwortlich fühlt und sich so lange um ihn kümmern wird, bis er auf eigenen Beinen stehen kann. Ohne den Mudita e.V. wäre alle Mühe vergeblich gewesen. Nur durch diesen persönlichen Einsatz haben Kinder in Myanmar, einem der ärmsten Länder der Erde, eine Chance, einen Weg aus der Armut zu finden.

Klosterschüler

Bhante Mokkhita wird persönlich am Freitag, den 21. Juni 2019 um 19:30 Uhr im Kultur Raum Allegro Hamburg-Rahlstedt, Güstrower Weg 2, Eingang Hagenower Str. gegenüber Haus Nr. 5 über sein Projekt und die in der Mudita Schule praktizierten Ansätze zu einer interkulturellen, Waldorf-inspirierten Pädagogik in Myanmar berichten. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.

Um mehr Informationen zum Fundraising-Projekt zu erhalten, klicken Sie auf den untenstehenden Link:

https://www.betterplace.org/de/projects/51295-ein-neues-zuhause-fur-benachteiligte-und-waisenkinder-in-myanmar

Dr. Dieter Munzel

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